Dienstag, 6. April 2010

wieder Holung

Was hoffte ich eigentlich zu finden auf meiner fortwährenden Suche in den Straßen und Parks von Wien? Mein Blick geht viel mehr nach innen als nach außen. Aus den Augenwinkeln beobachten mich die Menschen, die sich vielleicht fragen, warum ich vor einem Wohnhaus stehen bleibe und es fotografiere. Was hoffe ich nachher auf diesen Bildern zu entdecken? Warum zieht es mich immer wieder in den Stadtpark, in dem ich vor zwei Jahren schon stand und den letzten Sonnenschimmer eines Januarnachmittags einfing, der die grünen Laternen erglühend machte und den blauen Vasen einen türkisen und verfrorenen Abglanz schenkte? Damals wandelte ich wie besessen auf den Spuren einer Erzählung, die mich von dem grauen Kasten des Intercontinental durch diesen verwunschenen Jugendstilpark in die verstaubte und unnahbar wirkende Ungargasse führte. Damals flog ich in Gedanken mit den Wintermöwen den Wienfluss entlang, in der Hoffnung, die letzten Sonnenstrahlen könnten mich einmal warm machen. Aber diese Gegend wirkte immer nur schrecklich unnahbar und verlassen. Verlassen von dir, die du schon so lange in meinen Gedanken wohnst und die ich mir immer wieder neu auszumalen versucht habe, bis ich zuletzt deine Stimme in den Briefwechsel von B. und C. hinein halluzinierte, in dieses furchtbare Dokument eines abgründigen Schweigens. Heute aber ist Frühling und es riecht nach frisch geschnittenen Hecken und Zweigen. Das Gartenamt hat seine Leute zum Gießen und Pflanzen geschickt. Menschen füttern die Tauben und Krähen im Park und die Enten landen schnatternd auf ihren imaginären Wasserskiern. Heute wärmt die Sonne und der Herr an seinem Tisch wirbt für die Konzerte der neuen Saison. Um den Park herum donnern und stauben die Autos. Ach Wien! Später, im Botanischen Garten finde ich mehr Ruhe und die Notiz: Der Portier ist zur Zeit auf Gartenrunde… wie schön das klingt!
Ich fahre hierher und habe schon vergessen, dass ich dich in all diesen Straßen suche, obwohl du in meiner Stadt nur zwei Straßen entfernt von mir lebst. Die Suche verwandelt sich wie die Ableitungen mathematischer Gleichungen, es bleibt etwas zurück, das auf den ersten Blick nicht mehr zu erkennen ist aber im Grunde ist es noch da eben nur verwandelt. Manchmal verwandelt sich Schmerz in eine Blume.
Wieder war ich in dem Musikgeschäft in der Beatrixgasse, in der ein netter Herr mir vor zwei Jahren von seinem Besuch im „Alten Heller“ berichtete, deren Kellner immer sehr viel zu tun hatten und trotzdem freundlich waren und ihn nicht ausschimpften, als er als Junge in den 70er Jahren ein Glas auf dem Tisch ausgeleert hatte. Er sagte ausgeleert und nicht umgekippt und das klang damals schon beinahe poetisch. Dieser Musikladen heute hat nahezu vollständig seine Faszination auf mich verloren und das liegt daran, dass ich nun fast all die kleinen Utensilien, Tinkturen, Instrumente und Notenpapiere, die Stimmwirbel für Geigen und die Saitenhalter für Celli, das Kolophonium für die Bögen, die Hüllen für Gitarren und die Anstecknadeln mit dem Bratschenschlüssel aus eigenem Umgang und eigener Anschauung und nächster Nähe kenne. Erst jetzt fällt es mir auf, dass ich ja nur zwei Wochen, nachdem mich dieses Wiener Musikgeschäft vor zwei Jahren verzauberte selbst eine Aushilfsanstellung übernahm, die mich seit dem mit all diesen Gegenständen verbindet. Welch seltsamer Gang der Dinge - geleitet durch unser Unbewusstes.

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