Heute steht die Kirche in meinem Kopf und ich habe sie für dich gebaut. Ganz Wien ist eine Kirche, in der ich zu dir bete. Ihren Eingang findest du im Stadtpark. Die Ungargasse ist meine Via Dolorosa, jeder Schritt in ihr tut weh, doch in allem Schönen, das ich entdecke, entdecke ich dich und du erstehst wieder auf für mich und vielleicht geschieht das gegen deinen Willen. Ich stehle mir dort neue Nahrung für neue Bilder von dir, die wer weiß wie lange halten werden – der Zweig von damals ist noch immer grün... Deine österreichischen Schriftsteller, die du so sehr verehrst, ich treffe sie in der Ungargasse und befreie sie aus ihrem zu leeren Regal. Diesmal ist es nicht Ingeborg, diesmal ist es Thomas Bernhard, der sich oft in ihrer Nähe befindet. Später werde ich bei ihm in Andeutungen hoch über der Stadt, auf der Sonnenbank im Schlosspark Schönbrunn entsetzliche Dinge über Salzburg im Krieg lesen, Dinge über das Vergessen.
Blind tappe ich nun durch Wien, meine Augen und Brillengläser sind angelaufene alte Spiegel und die Fensterscheiben des Hauses in der Ehrenfelsgasse, die nachts so unheimlich wirken wie ein Grabmal längst verstorbener und darin erstickter Erinnerungen, könnten meinem Zustand keinen besseren Ausdruck liefern. Die Schönbrunner Straßenseite des Hauses leuchtet weiß, während die Ehrenfelsseite Nahrung für meine schweigsamsten Erstickungsalpträume liefert. Im Halbdunkel der Straßenlaternen erkenne ich dreimal ein Namensschild, das unheimliche Assoziationen weckt. Sie gruseln mich und ich kehre um. Mein Unwohlsein treibt mich bis vor ein Schwimmbad, das ich zuerst für eine Schule halte. Ich gehe die nächtlichen Stufen empor und stelle mir die vielen Kinder im Sonnenlicht vor, die nach einem Sommertag auf dem Vorplatz spielen. Theresienbad. Mein Blick schweift zu den Baumwipfeln, als hätten sie mich gerufen - trotz der Dunkelheit ist dort oben im Geäst ein großer bunter Ball erkennbar. Wahrscheinlich wird er sich noch lange Zeit dort wiegen, denn die immer noch kahlen Zweige halten ihn fest umschlungen. Im Sommer wird er wieder unsichtbar sein und man wird ihn vergessen haben bis der Herbstwind die Blätter erneut abschüttelt.
In Wiens Straßen, Stiegen und Hausfassaden mit den schönen Giebelfenstern suche ich ein Zuhause. Ich lasse mich treiben bis mir die schweren Füße schmerzen, die das Spazierengehen nicht mehr gewöhnt sind nach dem langen philosophischen Stubehocken. Keinen Musikalienhandel sondern eine Geigenbauwerkstatt suche ich in der Ziegelofengasse, dort sollen Freundinnen von Freunden aus meiner Heimat arbeiten, die über ein Klavier und seine Familie mit mir in Verbindung stehen. War es nicht immer eine Geigenbauwerkstatt, die ich gesucht hatte in fremden Städten? Wie hatte ich mich nur so davon abbringen lassen können? Hölzerne Treppenhäuser und verstaubter alter Glanz, faszinierende Patina der Geschichte, ich suche eine Stimme, die mir sagt: Komm herein, du bist hier zuhause, lange warst du weg, nun wollen wir uns setzen und uns erzählen bei einem Kaffee, danach zeige ich dir die Schablonen und hellen Instrumentenkörper, die Hobel und kleinen Feilen, das Holz, das zum Trocknen liegt und den wundersamen Lack… Ich zeige dir, wie man Geigen macht und die Melodie, die alle Herzen aufschließt spielst dann du, so wie in Bamberg damals auf der alten Geige mit dem Löwenkopf in dem Fachwerkhaus über dem Graben mit dem angeschwollenen Winterfluss, als sich alle Freunde mit ihren roten jungen Gesichtern lachend in der alten Küche wärmten. Weißt du noch…? Welch schöne Momente es gab! Der Orion stand blinkend und kalt über der Kirche und wir, wir lebten.
Was hoffte ich eigentlich zu finden auf meiner fortwährenden Suche in den Straßen und Parks von Wien? Mein Blick geht viel mehr nach innen als nach außen. Aus den Augenwinkeln beobachten mich die Menschen, die sich vielleicht fragen, warum ich vor einem Wohnhaus stehen bleibe und es fotografiere. Was hoffe ich nachher auf diesen Bildern zu entdecken? Warum zieht es mich immer wieder in den Stadtpark, in dem ich vor zwei Jahren schon stand und den letzten Sonnenschimmer eines Januarnachmittags einfing, der die grünen Laternen erglühend machte und den blauen Vasen einen türkisen und verfrorenen Abglanz schenkte? Damals wandelte ich wie besessen auf den Spuren einer Erzählung, die mich von dem grauen Kasten des Intercontinental durch diesen verwunschenen Jugendstilpark in die verstaubte und unnahbar wirkende Ungargasse führte. Damals flog ich in Gedanken mit den Wintermöwen den Wienfluss entlang, in der Hoffnung, die letzten Sonnenstrahlen könnten mich einmal warm machen. Aber diese Gegend wirkte immer nur schrecklich unnahbar und verlassen. Verlassen von dir, die du schon so lange in meinen Gedanken wohnst und die ich mir immer wieder neu auszumalen versucht habe, bis ich zuletzt deine Stimme in den Briefwechsel von B. und C. hinein halluzinierte, in dieses furchtbare Dokument eines abgründigen Schweigens. Heute aber ist Frühling und es riecht nach frisch geschnittenen Hecken und Zweigen. Das Gartenamt hat seine Leute zum Gießen und Pflanzen geschickt. Menschen füttern die Tauben und Krähen im Park und die Enten landen schnatternd auf ihren imaginären Wasserskiern. Heute wärmt die Sonne und der Herr an seinem Tisch wirbt für die Konzerte der neuen Saison. Um den Park herum donnern und stauben die Autos. Ach Wien! Später, im Botanischen Garten finde ich mehr Ruhe und die Notiz: Der Portier ist zur Zeit auf Gartenrunde… wie schön das klingt!
Ich fahre hierher und habe schon vergessen, dass ich dich in all diesen Straßen suche, obwohl du in meiner Stadt nur zwei Straßen entfernt von mir lebst. Die Suche verwandelt sich wie die Ableitungen mathematischer Gleichungen, es bleibt etwas zurück, das auf den ersten Blick nicht mehr zu erkennen ist aber im Grunde ist es noch da eben nur verwandelt. Manchmal verwandelt sich Schmerz in eine Blume.
Wieder war ich in dem Musikgeschäft in der Beatrixgasse, in der ein netter Herr mir vor zwei Jahren von seinem Besuch im „Alten Heller“ berichtete, deren Kellner immer sehr viel zu tun hatten und trotzdem freundlich waren und ihn nicht ausschimpften, als er als Junge in den 70er Jahren ein Glas auf dem Tisch ausgeleert hatte. Er sagte ausgeleert und nicht umgekippt und das klang damals schon beinahe poetisch. Dieser Musikladen heute hat nahezu vollständig seine Faszination auf mich verloren und das liegt daran, dass ich nun fast all die kleinen Utensilien, Tinkturen, Instrumente und Notenpapiere, die Stimmwirbel für Geigen und die Saitenhalter für Celli, das Kolophonium für die Bögen, die Hüllen für Gitarren und die Anstecknadeln mit dem Bratschenschlüssel aus eigenem Umgang und eigener Anschauung und nächster Nähe kenne. Erst jetzt fällt es mir auf, dass ich ja nur zwei Wochen, nachdem mich dieses Wiener Musikgeschäft vor zwei Jahren verzauberte selbst eine Aushilfsanstellung übernahm, die mich seit dem mit all diesen Gegenständen verbindet. Welch seltsamer Gang der Dinge - geleitet durch unser Unbewusstes.
Ich hab sie in der Tasche, die Fahrkarte nach Wien. Am Fenster werde ich sitzen, durch Dresden und Prag fahren, träumen, lesen, vielleicht ein bißchen schreiben, nachdenken, mich frei fühlen und mich erinnern an andere Reisen und an die Menschen, mit denen ich welche vorhatte und sie dann doch nie angetreten bin. Das wird was... und der Frühling kommt endlich, endlich!
"die Arbeitslosigkeit stieg im letzten Monat nur mäßig an" (die faule Sau)
Lange dachte ich nach, welches Wort ich ursprünglich gewählt hatte, um auszudrücken, dass eine Formulierung geändert werden müsse, dann fiel es mir wieder ein...
Meine Ästhetikprofessorin wollte den Titel des Prüfungsthemas modifizieren, ich hatte zuvor vorgeschlagen, daran zu feilen. Falls mich demnächst noch einmal jemand fragen wird, warum ich so lange Jahre gebraucht haben werde, um mein geisteswissenschaftliches Studium zu beenden, werde ich einfach antworten: Mein Herkommen wohnt im Handwerk, was erwarten Sie? Es dauert nun einmal eine Weile bis nicht mehr gefeilt und geschliffen, sondern modifiziert und transformiert werden kann…
das Sein bestimmt die Sprache, Sie wissen schon...
noch zwei Wochen...
+++ der erste teil - geschafft +++ eine sehr gute, wichtige erfahrung für mich +++ darauf aufbauen +++
heute wird sie siebzig, eine von beiden prüferinnen
da ist zu Vieles, das sich nicht angemessen übersetzten ließe (auf die Schnelle in Volumen und Verständlichkeit) manchmal ist der Schädel so voll, dass er sich leer anfühlt... dann wäre es Zeit für...
einen Spaziergang im weißen Schnee können wir jetzt auch knicken, sieh nur, wie unsere Straße gerade aussieht! überall diese Strukturen...
die unser Denken strukturieren und dann: es denkt in uns - also ist das Sein, nix mehr mit dubito, cogito ergo sum, kannste auch knicken, denn die Mythen denken sich in den Menschen ohne deren Wissen und Strukturen der Mythen sind analog den Strukturen in der Musik, ach...
hab eh schon fast zu viel verraten